Herr Dagbrand kämpfte harten Strauß
Mit Ungemach und Erdengraus.
Die Pest verschlang ihm Weib und Kind,
Der Krieg ihm Hof und Ingesind.
Und wie er ganz sich arm vermeint,
Stahl ihm Verrat den liebsten Freund.
Da packt Herrn Dagbrand wilde Lust,
Das Unheil zwang er Brust an Brust –
Und wieder wuchs ihm Gut und Land,
Und wieder drückt er Freundeshand,
Und wieder trug ihm Reis auf Reis
Ein lachend Liebesparadeis.
Herr Dagbrand ritt durch tiefen Wald,
Am Schenkel stramm die Faust geballt,
Und lachend sprach er still bei sich:
„Du Leben du, ich zwinge dich!“
Und ritt und ritt durch schwarzen Wald,
Da ward es eigen stille bald.
Die Blätter hingen bang und schwer,
Kein Rauschen war und Raunen mehr.
Des Rosses Huf gab keinen Klang,
Das Reh hielt still auf seinem Gang.
Und langsam, sieh! aus Sumpf und Moor
Wächst still und stumm ein Weib empor.
Ein schweigend Bild, ein ragend Bild
Wie Felsenturm im Herbstgefild.
Ihr Mantel fließt wie Nebeltau,
Vom Scheitel hängt ein Schleier grau:
Doch hinterm Schleier, dünn wie Rauch,
Kein Aug, kein Mund, kein Atemhauch.
Kein Merkmal eines Angesichts –
Der Schleier deckt ein schaurig Nichts.
Herr Dagbrand wendet scheu sein Roß,
Das fand wohl heim nach Dagbrand-Schloß.
Sein Wort erstarb wie Abendwehn:
„Nun hab ich, Leben, dich gesehn.“
Hermin verstand Gunilden nicht,
Als sie von jenem Stein, der an dem Berge lag,
Nur allegorisch mit ihm sprach,
So wie noch itzt ein kluges Mädchen spricht.
O, wär´ an mich der Antrag doch von ihr gekommen!
Ich hätte für den schweren Stein,
Der will ja nicht getragen seyn,
Ich hätte Sie auf meinen Arm genommen,
Und, ohne lang nach ihrem Sinn zu fragen,
Sie selbst den Berg hinangetragen.
Der Wahrheit Hülle, die Homer, Virgil
Und Flaccus schuf, und die auf Enkel fortgeerbet
Der Neuern Witz frisch aufgefärbet,
Ward alt; es kostete zu viel
Der Kunst und dem Genie, die Wahrheit neu zu kleiden.
Was war zu thun? — Ein Trödler nahm mit Freuden
Den theuern Stoff, schnitt alle Blumen aus,
Und Sinngedichte wurden draus.
Der Frau Gemahlinn ihrem Mann —
Ich wollte dir den Nahmen sagen;
Allein er geht uns hier nichts an —
Wozu auch das in unsern Tagen? —
Ward eine Sach´ einst angetragen.
Cotill, der uns so oft mit seinen Schriften straft,
Cotill lässt sich ein Petschaft fassen.
Das Sinnbild seiner Autorschaft,
Das, denkt er, müsse artig lassen.
Er schlägt´s dem Künstler vor, der wagt es zu versprechen,
Geht voll Erfindung fort, und sticht, was er erfand —
Was konnt´ er auch wohl anders stechen? —
Ein Schreibezeug und eine Hand.
Stolz zu der Sonnenrosse Bahnen
Durch Eos` rosenfarbnes Thor
Stieg des Prometheus Muth empor;
Dort raubt der kühnste der Titanen
Vom Feuergeist in seinem Rohr. —
Jüngst seinen kunstbegabten Händen
Gelang ein Menschenbild aus Thon,
Doch um die Schöpfung zu vollenden,
Muß er die Götterglut entwenden,
Nur sie giebt Leben seinem Sohn.
Aurora verhüllt ihn mit duftigem Schleier.
So ist der Titan mit dem himmlischen Feuer
Herab zu seinem Gebilde geflohn.
Sei gegrüßet, kleine Blume,
Blume der Vollkommenheit,
Die die Heiligen und Weisen
Namlos preisen;
Denn des Herzens schönste Zier
Wohnt in Dir.
I.
Es fällt ein Schuß im düstern Wald –
Fort, fort nur ohne Aufenthalt,
Du blutiger Geselle!
Er wendet scheu den Mörderblick
Zu seinem Opfer noch zurück
Und flieht mit Windesschnelle.
Der erste Frühling hielt die Welt
Im prächtigen Feierkleid umschlossen.
Die Sonne hat als junger Held
Ihr neue Reize ausgegossen.
Die Bäume blühn, die Blumen glühn,
Die bell aus dem smaragdnen Grün
Als junge Erdensterne sprossen.
Als glänzende Wolkensäule durchzieht
Der Herr des Paradieses Gebiet,
Auf daß er sein Werk sich beschaue.
Da neigen sich Bäume und Blumen zumal
Vor seiner Herrlichkeit sonnigem Strahl
Und beben im funkelnden Thaue.
Προσκυνουντες την ειμαρμενην, σοφοι.
Aeschylus
Ελυσεν αινον αχος απ᾽ ομματων Αρης
Sophokles
ΔΑΙΜΩΝ, Dämon Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
ΤΥΧΗ, das Zufällige Die strenge Grenze doch umgeht gefällig
Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt;
Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig,
Und handelst wohl so, wie ein andrer handelt:
Im Leben ists bald hin-, bald widerfällig,
Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt.
Schon hat sich still der Jahre Kreis geründet,
Die Lampe harrt der Flamme, die entzündet.
ΕΡΩΣ, Liebe Die bleibt nicht aus! – Er stürzt vom Himmel nieder,
Wohin er sich aus alter Öde schwang,
Er schwebt heran auf luftigem Gefieder
Um Stirn und Brust den Frühlingstag entlang,
Scheint jetzt zu fliehn, vom Fliehen kehrt er wieder:
Da wird ein Wohl im Weh, so süß und bang.
Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen,
Doch widmet sich das edelste dem Einen.
ΑΝΑΓΚΗ, Nötigung Da ists denn wieder, wie die Sterne wollten:
Bedingung und Gesetz; und aller Wille
Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten,
Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille;
Das Liebste wird vom Herzen weggescholten,
Dem harten Muß bequemt sich Will und Grille.
So sind wir scheinfrei denn, nach manchen Jahren
Nur enger dran, als wir am Anfang waren.
ΕΛΠΙΣ, Hoffnung Doch solcher Grenze, solcher ehrnen Mauer
Höchst widerwärtge Pforte wird entriegelt,
Sie stehe nur mit alter Felsendauer!
Ein Wesen regt sich leicht und ungezügelt:
Aus Wolkendecke, Nebel, Regenschauer
Erhebt sie uns, mit ihr, durch sie beflügelt,
Ihr kennt sie wohl, sie schwärmt durch alle Zonen –
Ein Flügelschlag – und hinter uns Äonen!
Es liegt in mir wie eine Wolke
Der düstre Abend, der uns schied.
Es stand kein Stern am grauen Himmel
Und von den Zweigen klang kein Lied.
Ein wohlbestelltes Mieder,
Die Backen rot gesund,
Den Schnabel voller Lieder
Und vorn und hinten rund.
Ach, was sah ich im Traum:
Du hast die Hand mir gegeben,
Und stumm sprach mir dein Mund:
Ja, ich fühle wie du.